Die Auseinandersetzung mit physiologischen Phänomenen und Formanalogien prägt die Arbeit von Sabine Krusche wesentlich. Die Künstlerin legt ihre Zellkulturen, Gewebe, Ganglien und  Mitochondrien in ganz unterschiedlichen Materialien an, die man nicht so ohne weiteres mit biomorphen Prozessen in Beziehung gesetzt hätte.
Wie mit Hilfe eines Riesenmikroskops blickt man ins Innere eines dieser wundersamen, mitochonder aufgefalteten Membransysteme, die bekanntlich den Hauptanteil der Energie für die Körperzellen des Menschen erzeugen und in denen die sogenannte innere Atmung abläuft. Die eigentlich tief im Körperinneren verborgenen Zellorganellen setzt die Künstlerin in überdimensionalen Formkörpern glasierter Keramik um. Aus den auf dem Boden arrangierten, bohnenartigen Volumina sind mäanderrandige Partien herausgeschnitten, deren rot schimmernden Entsprechungen an den Wandflächen in vergrößertem Maßstab wieder auftauchen, als führten sie dort zwischenzeitlich ein amöbes Eigenleben.
Mit der ihr eigenen Herangehensweise gibt Sabine Krusche dem aus dem Bereich der Gebrauchskunst gängigen Begriff der Gefäßkeramik eine völlig neue Dimension, als sich die Gefäße fortan nicht mehr einfach auf Kannen, Schüsseln oder Teller beziehen, sondern etwa auf Blutgefäße und andere  netzwerkartige Strukturen des menschlichen Körpers. Anhand von mit Acrylfarbe besprühtem Draht entwickelt sie folglich komplexe Ganglien-Wolken und andere feinnervige Gewebe, die von  einem synaptischen Knoten zum nächsten überspringend ihre weit verzweigten Lineamente in Rot oder/und Grün durch Raum und Zeit erstrecken lassen.
Vollends einer naturwissenschaftlichen Forscherin gleich hat Sabine Krusche ebenso Farbzeichnungen beidseitig auf Dia-Glasrahmen übertragen, die – analog anderer Anatomien – wie Präparate einer inneren Zeichenwelt und Formensprache wirken. Zu gerne möchte man da zum Beispiel Andrew Carnie, einen an der Londoner Ausstellung Art and Science (2013) beteiligten Künstler zitieren, der lapidar meinte: „Kunst ist zu wichtig, um Künstlern überlassen zu sein – Wissenschaft ist zu wichtig, um Wissenschaftlern überlassen zu sein.“
In einem aufwendigen Verfahren, der Zeichentricktechnik verwandt, hat Sabine Krusche die genannten einzelnen Farblichtzeichnungen filmisch animiert und so sind zwei Videoinstallationen entstanden, mit den Titeln Zellprozesse und Mikrokosmos. Die Komponistin Christiane Schmied hat mit elektronischen Tonmustern für die Zellen einen eigenen, charakteristischen Klangraum erschaffen. Im Kreislauf des Anwachsens und Wiederverschwindens von Linie und Licht, Farbe und Form wird plasmisches Wabern und Farbpulsieren optisch und akustisch erfahrbar.

Clemens Ottnad M.A., Kunsthistoriker
Geschäftsführer des Künstlerbundes Baden-Württemberg